Ein Beitrag von Luisa Altegoer vom 8. August 2021
In Hinblick auf die Bundestagswahl im September wollte unser Bündnis wissen, wie die verschiedenen Parteien zu den Themen Rechts, Rassismus und Integration stehen bzw. wie sie sich bei diesen Themen engagieren. Hierfür hat sich eine Arbeitsgruppe aus den drei jungen Studentinnen Alicia Benning, Hannah Hortlik und Luisa Altegoer gebildet. Sie haben mit allen demokratischen Parteien, die im Rat der Stadt Dorsten vertreten sind, ein Interview geführt. In den kommenden Beiträgen sollen nun die Kernaussagen dieser Gespräche vorgestellt werden. Die Reihenfolge der Veröffentlichung stellt hierbei keine politischen Präferenzen dar, sondern orientiert sich lediglich an den Zeitpunkten der einzelnen Interviews. Was ist den Parteien wichtig, wofür setzen sie sich ein? Machen Sie sich selbst ein Bild!
Das nächste Gespräch haben wir mit der LINKEN geführt und hierfür mit Lisa Ellermann und Wilhelm Zachraj gesprochen. Lisa Ellermann ist für die kommende Bundestagswahl die Direktkandidatin des Wahlkreises Dorsten, Bottrop und Gladbeck und Wilhelm Zachraj der Fraktionsvorsitzende im Stadtrat.
Unsere Gesprächspartner:innen definieren Rassismus als eine strukturelle Diskriminierung von Minderheiten, welche rein auf ihre ‚Rasse‘ reduziert würden; es würde versucht, Personen in ‚Rassen‘ einzuordnen, was jedoch völliger Unsinn sei. Es gebe überall Rassismus, dies beginne häufig schon im Kindergarten. Dies läge jedoch nicht an den Kindern, sondern an den Eltern, die ihren Kindern solche rassistischen Überzeugungen mitgeben würden. Ellermann erzählt, für sie sei Rassismus schwer zu erklären und nicht verständlich, sie sei anders erzogen worden und habe nie zwischen Menschen unterschieden. Die Befragten positionieren sich ganz klar gegen Rassismus und Ellermann betont: „Ich persönlich bin auch strikt gegen das Denken innerhalb von Rassen – wir sind alle Menschen. Wenn ich mitbekomme, dass jemand Rassismus erfährt, gehe ich gerne dazwischen und stehe als erste auf.“
Die Situation in der Bundesrepublik trage zur Entstehung von Rassismus bei. Es gebe viele ‚Verlierer‘ – Personen, die arbeitslos seien oder andere Probleme hätten. Diese würden nach Schuldigen für ihre eigene Situation suchen und sich hierfür meist die Schwächsten der Gesellschaft suchen, welche häufig Geflüchtete seien. Außerdem werde Rassismus dadurch aufrechterhalten, dass aufgeschnappte Vorurteile weiterverbreitet und verallgemeinert würden. Man könne nur dagegenwirken, wenn man, sobald man so etwas bemerke, statt zu schweigen direkt aufstehe und dagegenhalte. Es seien nicht Geflüchtete, die alles schlecht machten, die Probleme habe es vorher schon gegeben. Die Politik habe die Verantwortung, die sozialen Fragen zu beantworten und müsse hart und öffentlich gegen Rassismus arbeiten; dies geschehe jedoch leider zu selten. Führende Politiker:innen trügen zu dem Problem bei, manche Aussagen von Minister:innen oder von Bundestagsmitgliedern würden bekannte Vorurteile schüren und die Situation verschlechtern.
Neben Alltagsrassismus gebe es in Dorsten auch strukturellen Rassismus, z.B. bei der Polizei. Es sei jedoch wichtig zu differenzieren: Es gebe strukturellen Rassismus bei der Polizei, deswegen sei jedoch nicht jede:r Polizist:in rassistisch. Gefährlich werde es jedoch, wenn Personen, welche ein Machtmonopol innehätten, rassistisch sprechen und handeln würden.
Zachraj berichtet von einer syrischen Familie in Barkenberg, die er selbst betreue. Dort würde er sehen, welche Probleme diese hätten. Unsere Gegenüber fordern, in Deutschland, insbesondere aber auch in Dorsten müsse mehr für die Integration Geflüchteter getan werden. Dies könne neben der Schule auch durch Hobbies oder Sport geschehen. Es müsse mehr Sozialarbeit passieren. Es reiche nicht aus, Kindern das Rechnen beizubringen, Kinder hätten vielfältige Bedürfnisse. Wenn jemand sich rassistisch äußere oder handle, müsse man die Person darauf aufmerksam machen – häufig geschehe dies unbewusst und wenn man die Personen darauf hinweise, könnten sie daraus lernen. Außerdem müssten rassistische Vorfälle öffentlich gemacht werden.
Auf Kommunalebene sei der Handlungsspielraum bezüglich vieler Probleme begrenzt, hier müssten sich auf Bundesebene Gesetze verändern: Die Rechte von Minderheiten müssten geschützt werden und ein neutraler Untersuchungsausschuss zur Untersuchung rechter Organisationen etabliert werden. Das Thema Rassismus müsse dauerhaft in der Öffentlichkeit besprochen werden, damit es aktuell bleibe und auch von nicht betroffenen Mitbürger:innen nicht vergessen werde. Dorsten bräuchte mehr Sozialarbeit und mehr Integration für Familien, auch sollten zukünftig z.B. muslimische Beisetzungen gestattet werden. Das Nachhilfe-Angebot für geflüchtete Kinder sei hingegen schon sehr vielfältig und gut.
Bei Integration ginge es nicht nur um Menschen mit Migrationshintergrund, sondern um jeden Menschen, der in eine Gesellschaft aufgenommen werde. Integration geschehe an allen Stellen, es gehe darum, eine:n Dazukommende:n offen aufzunehmen und freundlich zu begrüßen und ihm:ihr nicht abweisend gegenüber zu stehen.
Es müssten Möglichkeiten geschaffen werden, dass Kinder in Schulen leicht(er) Hilfe bekommen. Kindern und Jugendlichen müsse eine leichtere Integration in den Schulen ermöglicht werden, aber auch neben der Schule müssten Kontaktpunkte geschaffen werden. Solche Angebote müssten auch in Corona-Zeiten geschaffen werden. Ein Kulturaustausch sei für alle Beteiligten bereichernd. Vorurteile ließen sich am besten im direkten Gespräch abbauen, regelmäßige Infostände würden hierfür eine Gesprächsplattform bieten – diese hätte es aufgrund von Corona in letzter Zeit leider weniger gegeben. Jedoch würde die LINKE auch auf ihrer Homepage und auf Facebook regelmäßig Themen wie Integration oder Rassismus aufgreifen. Einige Parteimitglieder engagieren sich auch in unserem Bündnis, außerdem habe die Partei z.B. mehrfach in Barkenberg an einem Spielplatz ein Sommerfest organisiert, welches auch zum Austausch angeregt habe. Bezüglich des Integrationsrats sehen unsere Gesprächspartner:innen noch Verbesserungsbedarf – dieser habe für die Verwaltung und eine Mehrheit des Rats leider nicht die Bedeutung, die ihm zukommen müsste.
Angesprochen auf die Diversität der Stadt Dorsten und ihrer Verwaltung sagen unsere Gegenüber, von Menschen mit Migrationshintergrund wüssten sie nichts. Die LINKE setze sich jedoch dafür ein, die Diversität zu erhöhen, auch bezüglich des Frauenanteils in der Politik. Sie selbst hätten eine weibliche Doppelspitze, ihre Liste sei paritätisch gestaltet, sprich die Hälfte der Plätze sei mit Frauen besetzt. Frauen würden sich in ihrer Partei wohlfühlen, da feministische Politik offen gestaltet werden könne. Sie wünschen sich eine höhere Diversität, sobald Menschen bereit seien, sich zu engagieren, sei dies jederzeit und immer möglich.
Die Befragten beschreiben Personen, die im rechten Spektrum aktiv sind, als rassistisch, homophob und sexistisch. Rechts gehe immer gegen andere Menschen und Minderheiten und stehe für Demokratiefeindlichkeit. In der Konfrontation mit Rechten müsse man immer freundlich und sachlich bleiben, bei diskriminierenden Aussagen müsse ein Gespräch aber unterbrochen werden, da dies dann zu nichts führen würde. Wenn rechte Aussagen getätigt werden, müsse man klar gegen diese eintreten. Bei schwankenden Wähler:innen könne es helfen, zum Nachdenken anregende Fragen zu stellen, um diese zum Umdenken zu bringen. Die Arbeit an Infoständen sei gut geeignet, um Bürger:innen aufzuklären und in den Dialog zu kommen. Aber auch zur Verfügung stehende Medien müssten genutzt werden, z.B. könnte auf Social Media auf bestimmte Themen aufmerksam gemacht werden. Insbesondere junge Menschen, die diese viel nutzten, könnten hierüber gut erreicht werden.
Auch auf Bundesebene müsse mehr gegen Akteure des rechten Spektrums unternommen werden, so forderten unsere Gegenüber z.B. die Freigabe der NSU-Akten oder das Verbot neonazistischer Organisationen. Neonazistische Veranstaltungen und Treffen oder auch rechte Festivals sollten konsequenter verboten werden. Verbote für die rechte Szene seien wichtig, dies stehe so auch im Grundgesetz. Ein grundsätzliches Verbot demokratiefeindlicher Parteien sei jedoch nicht der richtige Weg. Würde man alles verbieten, würden bestimmte Dinge im Untergrund geschehen. So habe man besser im Blick, was passiere. Unsere Gesprächspartner:innen bezweifeln, dass die gesamte AfD faschistisch sei, die faschistischen Teile der Partei müssten jedoch klar verboten werden. Wie man die Zustimmung für solche Parteien bekämpfen könne, sei eine schwierige Frage. Schaue man sich jedoch z.B. die Arbeit der AfD-Fraktion im Stadtrat an, sei dies auf gewisse Weise auch selbsterklärend – die Fraktion würde sich dort schon sehr gut lächerlich machen. Um wankende Wähler:innen zu überzeugen, könne es manchmal auch schon reichen, sie mit Zitaten der AfD zu konfrontieren. Da gebe es ausreichend Zitate, die z.B. klar homophob oder sexistisch seien. Die Menschen würden dies häufig gar nicht mitbekommen, würden sie diese dann aber lesen oder hören, würde das oft schon ausreichen. Man dürfe die Menschen nicht manipulieren, sondern man müsse sie überzeugen. Den einen goldenen Weg gebe es da nicht, aber man müsse Gespräche führen, aufklären, informieren.
Bezüglich der Berichterstattung in den Medien sieht Herr Zachraj ein Ungleichgewicht, die Dorstener Zeitung sei überrepräsentierend, was Aktivitäten der AfD angehe. Hier wünsche er sich, dass ähnlich viel über die Aktivitäten der Dorstener LINKEN berichtet werde. Wenn es um Straftaten gehe, sei es für Journalist:innen häufig sehr wichtig, die Hautfarbe oder Herkunft von Täter:innen zu nennen. Z.B. habe beim Messerangriff in Würzburg (25.06.2021) ein hoher Fokus auf der Herkunft des somalischen Täters gelegen, während seine psychische Erkrankung stark in den Hintergrund getreten sei. Bei dem Anschlag von Hanau (19.02.2020), wo der psychisch erkrankte Täter Deutscher war, sei es genau andersherum gewesen. Hinsichtlich der Berichterstattung und des Diskurses in den sozialen Netzwerken stellen unsere Gegenüber fest, dass viele Menschen die Anonymität des Internets zu sehr genießen würden. Diskussionen im Internet könne man leider nicht gewinnen.
Ein Anstieg politisch motivierter Straftaten sei zu merken, dies würde auch etwas ängstlich stimmen. Hiervon dürfe man sich aber nicht einschüchtern lassen. Auch hier müsse mehr auf bundespolitischer Ebene geschehen, auch wenn die Strafverfolgung teils durch die Anonymität des Internets erschwert sei. Minderheiten müssten aber besser geschützt werden. Außerdem bedürfe es neutraler Untersuchungsausschüsse, um z.B. sogenannte „Einzelfälle“ bei der Polizei aufzuklären. Es sei wichtig hinzuschauen.
Wir beendeten das Gespräch mit der Frage, wie die LINKE gewährleisten will, dass – um Rassismus und Rechtsextremismus zu bekämpfen – es auch in Zukunft attraktiv bleibt, demokratische Parteien zu wählen.
Unsere Gesprächspartner:innen weisen auf die vielen Alleinstellungsmerkmale der LINKEN hin. Mit ihrer Sozial-, Umwelt, Wirtschafts- und Friedenspolitik hätten sie ein breites Angebot, was unbestechlich und unübertroffen sei. Auch mit ihren grünen Angeboten und Zielen auf Kommunalebene seien sie z.B. weiter als die Grünen. Dieses Angebot mache es attraktiv, die Partei zu wählen. Das Wichtigste sei jedoch nicht das Mitwirken in einer bestimmten Partei, sondern generell politisch aktiv und engagiert zu sein. Hierfür müsse der Weg zur Politik attraktiv gemacht werden. Wenn Politik ordentlich vermittelt würde, sei der Weg zu demokratischer Politik geebnet. Zum Abschluss des Gesprächs betont Lisa Ellermann: „Ich möchte jungen Menschen eine Stimme geben und ihnen zeigen, dass auch junge Menschen einen Weg in der Politik finden können.“
Wir bedanken uns noch einmal bei der LINKEN für dieses aufschlussreiche Gespräch! Wir hoffen, Ihnen einige interessante Einblicke gegeben zu haben! Wenn Sie neugierig geworden sind, was die anderen Parteien in unseren Gesprächen gesagt haben, lesen Sie gerne auch unsere anderen Artikel!