Die LINKE über Rassismus, Integration und Rechts(extremismus)

Ein Beitrag von Luisa Altegoer vom 8. August 2021

In Hinblick auf die Bundestagswahl im September wollte unser Bündnis wissen, wie die verschiedenen Parteien zu den Themen Rechts, Rassismus und Integration stehen bzw. wie sie sich bei diesen Themen engagieren. Hierfür hat sich eine Arbeitsgruppe aus den drei jungen Studentinnen Alicia Benning, Hannah Hortlik und Luisa Altegoer gebildet. Sie haben mit allen demokratischen Parteien, die im Rat der Stadt Dorsten vertreten sind, ein Interview geführt. In den kommenden Beiträgen sollen nun die Kernaussagen dieser Gespräche vorgestellt werden. Die Reihenfolge der Veröffentlichung stellt hierbei keine politischen Präferenzen dar, sondern orientiert sich lediglich an den Zeitpunkten der einzelnen Interviews. Was ist den Parteien wichtig, wofür setzen sie sich ein? Machen Sie sich selbst ein Bild!

Das nächste Gespräch haben wir mit der LINKEN geführt und hierfür mit Lisa Ellermann und Wilhelm Zachraj gesprochen. Lisa Ellermann ist für die kommende Bundestagswahl die Direktkandidatin des Wahlkreises Dorsten, Bottrop und Gladbeck und Wilhelm Zachraj der Fraktionsvorsitzende im Stadtrat.

Unsere Gesprächspartner:innen definieren Rassismus als eine strukturelle Diskriminierung von Minderheiten, welche rein auf ihre ‚Rasse‘ reduziert würden; es würde versucht, Personen in ‚Rassen‘ einzuordnen, was jedoch völliger Unsinn sei. Es gebe überall Rassismus, dies beginne häufig schon im Kindergarten. Dies läge jedoch nicht an den Kindern, sondern an den Eltern, die ihren Kindern solche rassistischen Überzeugungen mitgeben würden. Ellermann erzählt, für sie sei Rassismus schwer zu erklären und nicht verständlich, sie sei anders erzogen worden und habe nie zwischen Menschen unterschieden. Die Befragten positionieren sich ganz klar gegen Rassismus und Ellermann betont: „Ich persönlich bin auch strikt gegen das Denken innerhalb von Rassen – wir sind alle Menschen. Wenn ich mitbekomme, dass jemand Rassismus erfährt, gehe ich gerne dazwischen und stehe als erste auf.“

Die Situation in der Bundesrepublik trage zur Entstehung von Rassismus bei. Es gebe viele ‚Verlierer‘ – Personen, die arbeitslos seien oder andere Probleme hätten. Diese würden nach Schuldigen für ihre eigene Situation suchen und sich hierfür meist die Schwächsten der Gesellschaft suchen, welche häufig Geflüchtete seien. Außerdem werde Rassismus dadurch aufrechterhalten, dass aufgeschnappte Vorurteile weiterverbreitet und verallgemeinert würden. Man könne nur dagegenwirken, wenn man, sobald man so etwas bemerke, statt zu schweigen direkt aufstehe und dagegenhalte. Es seien nicht Geflüchtete, die alles schlecht machten, die Probleme habe es vorher schon gegeben. Die Politik habe die Verantwortung, die sozialen Fragen zu beantworten und müsse hart und öffentlich gegen Rassismus arbeiten; dies geschehe jedoch leider zu selten. Führende Politiker:innen trügen zu dem Problem bei, manche Aussagen von Minister:innen oder von Bundestagsmitgliedern würden bekannte Vorurteile schüren und die Situation verschlechtern.

Neben Alltagsrassismus gebe es in Dorsten auch strukturellen Rassismus, z.B. bei der Polizei. Es sei jedoch wichtig zu differenzieren: Es gebe strukturellen Rassismus bei der Polizei, deswegen sei jedoch nicht jede:r Polizist:in rassistisch. Gefährlich werde es jedoch, wenn Personen, welche ein Machtmonopol innehätten, rassistisch sprechen und handeln würden.

Zachraj berichtet von einer syrischen Familie in Barkenberg, die er selbst betreue. Dort würde er sehen, welche Probleme diese hätten. Unsere Gegenüber fordern, in Deutschland, insbesondere aber auch in Dorsten müsse mehr für die Integration Geflüchteter getan werden. Dies könne neben der Schule auch durch Hobbies oder Sport geschehen. Es müsse mehr Sozialarbeit passieren. Es reiche nicht aus, Kindern das Rechnen beizubringen, Kinder hätten vielfältige Bedürfnisse. Wenn jemand sich rassistisch äußere oder handle, müsse man die Person darauf aufmerksam machen – häufig geschehe dies unbewusst und wenn man die Personen darauf hinweise, könnten sie daraus lernen. Außerdem müssten rassistische Vorfälle öffentlich gemacht werden.

Auf Kommunalebene sei der Handlungsspielraum bezüglich vieler Probleme begrenzt, hier müssten sich auf Bundesebene Gesetze verändern: Die Rechte von Minderheiten müssten geschützt werden und ein neutraler Untersuchungsausschuss zur Untersuchung rechter Organisationen etabliert werden. Das Thema Rassismus müsse dauerhaft in der Öffentlichkeit besprochen werden, damit es aktuell bleibe und auch von nicht betroffenen Mitbürger:innen nicht vergessen werde. Dorsten bräuchte mehr Sozialarbeit und mehr Integration für Familien, auch sollten zukünftig z.B. muslimische Beisetzungen gestattet werden. Das Nachhilfe-Angebot für geflüchtete Kinder sei hingegen schon sehr vielfältig und gut.

Bei Integration ginge es nicht nur um Menschen mit Migrationshintergrund, sondern um jeden Menschen, der in eine Gesellschaft aufgenommen werde. Integration geschehe an allen Stellen, es gehe darum, eine:n Dazukommende:n offen aufzunehmen und freundlich zu begrüßen und ihm:ihr nicht abweisend gegenüber zu stehen.

Es müssten Möglichkeiten geschaffen werden, dass Kinder in Schulen leicht(er) Hilfe bekommen. Kindern und Jugendlichen müsse eine leichtere Integration in den Schulen ermöglicht werden, aber auch neben der Schule müssten Kontaktpunkte geschaffen werden. Solche Angebote müssten auch in Corona-Zeiten geschaffen werden. Ein Kulturaustausch sei für alle Beteiligten bereichernd. Vorurteile ließen sich am besten im direkten Gespräch abbauen, regelmäßige Infostände würden hierfür eine Gesprächsplattform bieten – diese hätte es aufgrund von Corona in letzter Zeit leider weniger gegeben. Jedoch würde die LINKE auch auf ihrer Homepage und auf Facebook regelmäßig Themen wie Integration oder Rassismus aufgreifen. Einige Parteimitglieder engagieren sich auch in unserem Bündnis, außerdem habe die Partei z.B. mehrfach in Barkenberg an einem Spielplatz ein Sommerfest organisiert, welches auch zum Austausch angeregt habe. Bezüglich des Integrationsrats sehen unsere Gesprächspartner:innen noch Verbesserungsbedarf – dieser habe für die Verwaltung und eine Mehrheit des Rats leider nicht die Bedeutung, die ihm zukommen müsste.

Angesprochen auf die Diversität der Stadt Dorsten und ihrer Verwaltung sagen unsere Gegenüber, von Menschen mit Migrationshintergrund wüssten sie nichts. Die LINKE setze sich jedoch dafür ein, die Diversität zu erhöhen, auch bezüglich des Frauenanteils in der Politik. Sie selbst hätten eine weibliche Doppelspitze, ihre Liste    sei paritätisch gestaltet, sprich die Hälfte der Plätze sei mit Frauen besetzt. Frauen würden sich in ihrer Partei wohlfühlen, da feministische Politik offen gestaltet werden könne. Sie wünschen sich eine höhere Diversität, sobald Menschen bereit seien, sich zu engagieren, sei dies jederzeit und immer möglich.

Die Befragten beschreiben Personen, die im rechten Spektrum aktiv sind, als rassistisch, homophob und sexistisch. Rechts gehe immer gegen andere Menschen und Minderheiten und stehe für Demokratiefeindlichkeit. In der Konfrontation mit Rechten müsse man immer freundlich und sachlich bleiben, bei diskriminierenden Aussagen müsse ein Gespräch aber unterbrochen werden, da dies dann zu nichts führen würde. Wenn rechte Aussagen getätigt werden, müsse man klar gegen diese eintreten. Bei schwankenden Wähler:innen könne es helfen, zum Nachdenken anregende Fragen zu stellen, um diese zum Umdenken zu bringen. Die Arbeit an Infoständen sei gut geeignet, um Bürger:innen aufzuklären und in den Dialog zu kommen. Aber auch zur Verfügung stehende Medien müssten genutzt werden, z.B. könnte auf Social Media auf bestimmte Themen aufmerksam gemacht werden. Insbesondere junge Menschen, die diese viel nutzten, könnten hierüber gut erreicht werden.

Auch auf Bundesebene müsse mehr gegen Akteure des rechten Spektrums unternommen werden, so forderten unsere Gegenüber z.B. die Freigabe der NSU-Akten oder das Verbot neonazistischer Organisationen. Neonazistische Veranstaltungen und Treffen oder auch rechte Festivals sollten konsequenter verboten werden. Verbote für die rechte Szene seien wichtig, dies stehe so auch im Grundgesetz. Ein grundsätzliches Verbot demokratiefeindlicher Parteien sei jedoch nicht der richtige Weg. Würde man alles verbieten, würden bestimmte Dinge im Untergrund geschehen. So habe man besser im Blick, was passiere. Unsere Gesprächspartner:innen bezweifeln, dass die gesamte AfD faschistisch sei, die faschistischen Teile der Partei müssten jedoch klar verboten werden. Wie man die Zustimmung für solche Parteien bekämpfen könne, sei eine schwierige Frage. Schaue man sich jedoch z.B. die Arbeit der AfD-Fraktion im Stadtrat an, sei dies auf gewisse Weise auch selbsterklärend – die Fraktion würde sich dort schon sehr gut lächerlich machen. Um wankende Wähler:innen zu überzeugen, könne es manchmal auch schon reichen, sie mit Zitaten der AfD zu konfrontieren. Da gebe es ausreichend Zitate, die z.B. klar homophob oder sexistisch seien. Die Menschen würden dies häufig gar nicht mitbekommen, würden sie diese dann aber lesen oder hören, würde das oft schon ausreichen. Man dürfe die Menschen nicht manipulieren, sondern man müsse sie überzeugen. Den einen goldenen Weg gebe es da nicht, aber man müsse Gespräche führen, aufklären, informieren.

Bezüglich der Berichterstattung in den Medien sieht Herr Zachraj ein Ungleichgewicht, die Dorstener Zeitung sei überrepräsentierend, was Aktivitäten der AfD angehe. Hier wünsche er sich, dass ähnlich viel über die Aktivitäten der Dorstener LINKEN berichtet werde. Wenn es um Straftaten gehe, sei es für Journalist:innen häufig sehr wichtig, die Hautfarbe oder Herkunft von Täter:innen zu nennen. Z.B. habe beim Messerangriff in Würzburg (25.06.2021) ein hoher Fokus auf der Herkunft des somalischen Täters gelegen, während seine psychische Erkrankung stark in den Hintergrund getreten sei. Bei dem Anschlag von Hanau (19.02.2020), wo der psychisch erkrankte Täter Deutscher war, sei es genau andersherum gewesen. Hinsichtlich der Berichterstattung und des Diskurses in den sozialen Netzwerken stellen unsere Gegenüber fest, dass viele Menschen die Anonymität des Internets zu sehr genießen würden. Diskussionen im Internet könne man leider nicht gewinnen.

Ein Anstieg politisch motivierter Straftaten sei zu merken, dies würde auch etwas ängstlich stimmen. Hiervon dürfe man sich aber nicht einschüchtern lassen. Auch hier müsse mehr auf bundespolitischer Ebene geschehen, auch wenn die Strafverfolgung teils durch die Anonymität des Internets erschwert sei. Minderheiten müssten aber besser geschützt werden. Außerdem bedürfe es neutraler Untersuchungsausschüsse, um z.B. sogenannte „Einzelfälle“ bei der Polizei aufzuklären. Es sei wichtig hinzuschauen.

Wir beendeten das Gespräch mit der Frage, wie die LINKE gewährleisten will, dass – um Rassismus und Rechtsextremismus zu bekämpfen – es auch in Zukunft attraktiv bleibt, demokratische Parteien zu wählen.

Unsere Gesprächspartner:innen weisen auf die vielen Alleinstellungsmerkmale der LINKEN hin. Mit ihrer Sozial-, Umwelt, Wirtschafts- und Friedenspolitik hätten sie ein breites Angebot, was unbestechlich und unübertroffen sei. Auch mit ihren grünen Angeboten und Zielen auf Kommunalebene seien sie z.B. weiter als die Grünen. Dieses Angebot mache es attraktiv, die Partei zu wählen. Das Wichtigste sei jedoch nicht das Mitwirken in einer bestimmten Partei, sondern generell politisch aktiv und engagiert zu sein. Hierfür müsse der Weg zur Politik attraktiv gemacht werden. Wenn Politik ordentlich vermittelt würde, sei der Weg zu demokratischer Politik geebnet. Zum Abschluss des Gesprächs betont Lisa Ellermann: „Ich möchte jungen Menschen eine Stimme geben und ihnen zeigen, dass auch junge Menschen einen Weg in der Politik finden können.“

Wir bedanken uns noch einmal bei der LINKEN für dieses aufschlussreiche Gespräch! Wir hoffen, Ihnen einige interessante Einblicke gegeben zu haben! Wenn Sie neugierig geworden sind, was die anderen Parteien in unseren Gesprächen gesagt haben, lesen Sie gerne auch unsere anderen Artikel!

Die FDP über Rassismus, Integration und Rechts(extremismus)

Ein Beitrag von Luisa Altegoer vom 5. August 2021

In Hinblick auf die Bundestagswahl im September wollte unser Bündnis wissen, wie die verschiedenen Parteien zu den Themen Rechts, Rassismus und Integration stehen bzw. wie sie sich bei diesen Themen engagieren. Hierfür hat sich eine Arbeitsgruppe aus den drei jungen Studentinnen Alicia Benning, Hannah Hortlik und Luisa Altegoer gebildet. Sie haben mit allen demokratischen Parteien, die im Rat der Stadt Dorsten vertreten sind, ein Interview geführt. In den kommenden Beiträgen sollen nun die Kernaussagen dieser Gespräche vorgestellt werden. Die Reihenfolge der Veröffentlichung stellt hierbei keine politischen Präferenzen dar, sondern orientiert sich lediglich an den Zeitpunkten der einzelnen Interviews. Was ist den Parteien wichtig, wofür setzen sie sich ein? Machen Sie sich selbst ein Bild!

Das fünfte Gespräch haben wir mit der FDP geführt. Unsere Interviewpartner waren Lutz Ludwig und Thomas Boos. Ludwig sitzt für die Dorstener FDP im Stadtrat, Boos ist Stadtverbandsvorsitzender und sitzt im Ruhrparlament[1].

Die deutsche Gesellschaft sei keine rassistische Gesellschaft, es gebe jedoch Alltagsrassismus und dieser sei maßgeblich und sehr gefährlich. Er entstehe aus Vorbehalten und sei zum Teil soziologisch erklärbar: Menschen hätten Ressentiments und Ängste; diese Faktoren würden da mithineinfließen, hier müsse die Gesellschaft achtgeben, dass sie sich nicht in eine Schieflage bewege. Hier müsse man aufpassen und an jeder Stelle dagegen vorgehen, auch „kleinere“ Delikte dürften nicht hingenommen werden wie z.B. Schmierereien von Hakenkreuzen oder wie es sie jüngst auch an der Dorstener Respekttafel gab. Rassismus äußere sich nicht immer offen in Beleidigungen, häufig seien es unbedachte Aussagen oder Handlungen, dies mache es für die betroffenen Personen jedoch nicht besser. Insbesondere seit 2015 seien Migrant:innen wieder stärker betroffen. Unsere Gesprächspartner betonen, dass für sie das Thema immer oben auf der Agenda stehe, egal ob im privaten oder politischen Umfeld. Wann immer so etwas zu tragen komme, würden sie als liberale Partei stets und ständig dagegen angehen.

Auch im Städtebau müsse das Thema mitgedacht werden, hier müssten die Menschen mehr integriert werden. Es sei wichtig, auf verschiedenen Ebenen gegen Rassismus vorzugehen. Das Thema müsse im Rat thematisiert werden und in sozialen Medien wie Facebook; es brauche Gesprächskreise und Aktionen, auch das Engagement z.B. in unserem Bündnis sei wichtig. Boos kritisiert, Ressentiments würde zu viel Raum gegeben. Stattdessen müsse man klare Grenzen aufziehen. Als Beispiel berichtet Boos von einer Szene, die sich im Ruhrparlament ereignet habe. Ein Redner der AfD habe davon gesprochen, das Ruhrgebiet habe ein Problem mit Ausländern. Er könne dieser Person nicht das Rederecht entziehen, umgekehrt habe er jedoch genauso das Recht zu gehen und sich dies nicht anzuhören zu müssen. Er sei aufgestanden und gegangen, um deutlich zu machen, solchen Personen keinen Raum geben zu wollen. Verglichen mit anderen AfD’lern halte es sich noch in Grenzen, jedoch habe die Dorstener AfD gerade wirre Gedanken und keine der im Rat vertretenen Personen sei eine Ansprechperson. Im Dorstener Rat werde die AfD gerade oft beschimpft, dies bringe jedoch nichts. Man müsse die Personen inhaltlich stellen, dort würde die Partei ausreichend Angriffsfläche bieten. Es sei wichtig zu unterscheiden, dass man kein Problem mit der Person persönlich habe, man für konstruktive Gespräche jedoch nicht bereit sei, solange die Person zu einer Partei gehöre, die sich nicht klar von ihrem rechten Flügel distanziere. Es gehe nicht darum, die Menschen oder die Partei per se auszugrenzen, man müsse jedoch hinterfragen, was die Partei grundsätzlich vertrete. Klar sei, dass die Partei immer rechtslastiger geworden sei.

An manchen Stellen sehe es sicher so aus, als gebe es in Dorsten auch strukturellen Rassismus. Hier müsse man dann jedoch z.B. erst einmal mit der Verwaltung diskutieren, wie diese das wahrnehme. Dann könne man schauen, was getan werden müsse. Aber auch die FDP sei hier sicherlich nicht perfekt und würde gerne Vorschläge annehmen. Struktureller Rassismus entstehe häufig durch Vorbehalte, hier könne die Politik viel tun, z.B. indem sie selbst mit gutem Beispiel vorangehe. Bislang sei es nicht gelungen, deutlich zu machen, dass Deutschland eine offene Gesellschaft sei. Damit sei nicht eine ‚Multikulti-Gesellschaft‘ gemeint, sondern eine Gesellschaft, in der es egal sei, welches Geschlecht oder welche Herkunft jemand habe. Unsere Gesprächspartner erklären, sie selbst würden die Person und ihre Qualifikationen im relevanten Bereich betrachten. Es gehe nicht darum, dass jede:r einen akademischen Beruf ausübe, sondern dass jede:r so beschäftigt werde, wie er:sie qualifiziert sei. Sie interessierten sich nicht für die Herkunft einer Person, sondern für das Verhalten, Benehmen und die Sozialkompetenz einer Person. Dieses Denken müsse auch auf die Gesellschaft übertragen werden, dass nicht jede:r immer frage ‚Was macht der denn und wo kommt der her?‘, sondern dass jede:r erst einmal als Mensch betrachtet würde. Die Beschäftigung einer Person mit Migrationshintergrund dürfe auch nicht als Alibi verwendet werden unter dem Motto ‚Ich habe da aber jemanden, ich mache das schon gut.‘

Im Bereich der Bildung Jugendlicher und junger Erwachsener sei es oft ein Problem, den Kontakt zu den Familien herzustellen. Es stelle sich die Frage, inwieweit man hier dann in bestehende Familienstrukturen eingreifen würde; es gebe viele Familien, die sich abschirmten. Es sei ein Geben und Anbieten, aber eben auch ein bewusstes Nehmen. Hier müssten Ängste auf Seiten der Migrant:innen abgebaut werden. Schließlich sei es fundamental, im Bereich der Bildung zu beginnen. Es müsse egal sein, woher eine Person komme, welchen sozialen oder kulturellen Hintergrund sie habe. Für Dorsten sei eine „Talentschule“[2] beantragt worden. Bislang sei es so: ‚Gleiches zieht Gleiches an.‘; das sei normal, Menschen umgäben sich mit Menschen, die ähnlich dächten wie sie selbst. Hier sei es jedoch wichtig, dass die Menschen sich durchmischten.  

Bislang würden Migrant:innen immer Fremde in unserer Gesellschaft bleiben. Auch wenn es um Gewalttaten gehe, sei die Herkunft egal und dürfe nicht so eine große Rolle spielen.  Das Einwandern müsse gefördert und gestärkt werden. Im Ruhrgebiet gebe es das Programm ‚Welcome Ruhr‘, welches für eine offene Willkommenskultur werbe. Auch Freizeitangebote und Sport seien immer eine gute Möglichkeit, um Menschen miteinander in Kontakt zu bringen. Engagement sei fundamental wichtig. Am Ende sei es egal, wo Menschen sich engagierten. „Hauptsache, sie engagieren sich.“ Politisch müssten die Parteien Anträge z.B. für verschiedene Projekte in den Rat bringen. Unsere Gesprächspartner betonen, man müsse sich immer wieder die Frage stellen ‚Was können wir selbst noch besser machen?‘. Es sei auch immer interessant zu schauen, was die anderen Parteien unternehmen würden.

Was Diversität angehe, bestünde in Dorsten und im Dorstener Stadtrat noch Handlungsbedarf. Bei dem Thema Frauen sehe es schon etwas besser aus, aber auch hier beschränke die Veränderung sich häufig lediglich auf das Gendersternchen. Der FDP sei es jedoch wichtig zu sagen „Mann, Frau, egal, welches Geschlecht. Es geht vor allem um die Qualifikation.“ In den städtischen Organisationen gebe es auch Arbeitsgruppen, in denen bereits mehr Migrant:innen tätig seien, dies seien jedoch eher Strukturen von früher wie z.B. die Entsorgung. Generell sei noch relativ viel in alten Strukturen verfallen.

Bezüglich Integration sei nicht Assimilation das einzige Ziel, die Kultur der Migrant:innen solle beibehalten werden. Der Begriff Integration klinge häufig wie eine Unterordnung, dies solle er jedoch nicht. Unsere Gesprächspartner verstehen die Gesellschaft so, dass auch geschaut werden müsse, wer hier alles leben würde. Sprache sei ein wichtiger Aspekt, wer langfristig in Deutschland leben wolle, müsse die Sprache erlernen. Dies müsse man aber nur bei dauerhaften Aufenthalten erwarten. Auch wirtschaftliches Engagement sei sehr wichtig, Arbeit sei ein wesentlicher Integrationsfaktor, unabhängig von der Dauer des Aufenthalts. Nichtbeschäftigte Migrant:innen würden in der deutschen Bevölkerung häufig zu Unmut führen, es käme der Gedanke auf ‚Die hängen ja nur rum.‘ Dies sei jedoch oft nicht Schuld der Migrant:innen, sondern läge daran, dass diese nicht arbeiten dürften. Hier müsse mehr getan werden, die Menschen müssten teilhaben können. Grundsätzlich verstünde Deutschland sich mittlerweile als Einwanderungsland, die Prozesse dahinter seien jedoch gar nicht richtig definiert. Den Migrant:innen würden häufig keine ausreichenden Angebote gemacht, sich zu integrieren, die Sprache zu lernen oder zu arbeiten. Klar gebe es Angebote, häufig dauere es jedoch zu lang, bis die Personen diese nutzen könnten. Ludwig betont: „Für mich ist es das A und O, dass sprachlich zumindest der Alltag bewältigt werden kann.

Politisch gesehen müssten die Prozesse deutlich klarer dargelegt und beschleunigt werden. Die Gesellschaft sei nicht aufgeklärt genug, hierdurch entstünden Ressentiments. Da müsse der Staat konsequenter sein, es brauche einen klaren, deutlichen Staat. Konkret fordere die FDP, Möglichkeiten zu schaffen, dass alle Menschen arbeiten können. Es müsse deutlich gemacht werden, dass Deutschland bezüglich Arbeit offen sei. Außerdem erklärt Boos: „Es gibt einen Asylbereich und wir müssen deutlich machen, dass dieser Staat für verfolgte Menschen offen ist.“ Es müsse klargemacht werden, auf welcher Rechtsgrundlage Menschen sich in diesem Land befinden würden. Mit Menschen, die nach Deutschland kommen, müssten klare Absprachen getroffen werden, welchen Aufenthaltsstatus diese innehätten. Der Status dieser Personen müsse klar sein, könne sich aber natürlich auch ändern. Man könne jedoch nicht einfach sagen „Du gehst jetzt wieder“, hier müssten dann Alternativen geschaffen werden. Es dürfe jedoch nicht nur um die Menschen gehen, die bereits in Deutschland angekommen sind: „Solche Geschichten, wie sie auf dem Mittelmeer stattfinden, dürfen einfach nicht passieren.

In Dorsten habe die FDP aktuell keinen „klaren Fahrplan“ zur Unterstützung von Integration, dies hinge u.a. auch mit ihrer eher geringen Mitgliederzahl zusammen. Sie seien jedoch immer wieder in der Position, dass sie auf Projekte aufmerksam gemacht würden. Ihnen helfe es sehr, wenn z.B. unser Bündnis sie einlade und dann würden sie uns auch gerne unterstützen. Unsere Gesprächspartner berichten, sie würden auch bei verschiedenen Aktionen vorbeischauen, z.B. bei der Eröffnung der Moschee oder beim Zuckerfest. Aktuell handle es sich jedoch eher um persönliche Projekte. Den Integrationsrat sehen sie als Möglichkeit, sich gegenseitig Anregungen zu geben.

Gefragt nach der Bedeutung von Rechts erklärt Boos: „Die rechte politische Auffassung unterschiedet klar zwischen dem, der dazugehört, und dem, der nicht dazugehört – das ist, was für mich Rechts ausmacht. Das kann noch so verharmlosend klingen, aber wenn ich davon rede, ‚Wir oder die Anderen‘, da fängt für mich schon der erste Schritt an, wo die Linie überschritten wird.“ Rechts sei eine politische Richtung, die jedoch nicht ausschließlich ein deutsches, sondern ein weltweites Thema sei. Ludwig ergänzt: „Wenn wir in die Geschichte zurück gucken, ist der rechte Weg einer, der dramatischer nicht hätte sein können.“ Es gehe nicht nur um sprachliche Angriffe, sondern auch um körperliche bis hin zu Totschlag oder Mord. Rechts sei Ausgrenzung, die Nicht-Akzeptanz anderer, die politische Propaganda, bestimmte Menschengruppen auszuschließen, und Menschen vorzuschreiben, wie sie zu leben haben. Wenn anderen das Recht auf die freie Entfaltung genommen werde, wie bei Rechtsextremismus, müsse der Staat als Beschützer eintreten. Während Linksextremismus v.a. eine nationalstaatliche, wirtschaftliche Dimension habe, gehe es im Rechtsextremismus v.a. um eine gesellschaftliche Dimension. Beide Formen des Extremismus seien in einem demokratischen liberalen Staat nicht akzeptabel.

Auf die Frage, wie sie Akteur:innen des rechten Spektrums begegnen würden, erklären unsere Gesprächspartner, menschlich gesehen würden sie diesen erst einmal offen gegenübertreten. Das Problem sei, dass zu erwarten sei, dass diese Akteur:innen nicht von ihrer Grundhaltung abweichen würden, bestimmte Menschengruppen auszugrenzen. Selbst wenn sachlich über ein bestimmtes Thema, welches scheinbar unabhängig von einer rechten Gesinnung sei, z.B. Straßenbau, geredet würde, wisse man, dass ein AfD-Mitglied eine rechte Grundhaltung habe; dann würde man mit dieser Person auch nicht über Straßenbau diskutieren. Man könne nicht verhindern, dass im Stadtrat die AfD FDP-Anträgen zustimme, man müsse jedoch deutlich machen, dass es sich hierbei nicht um eine gemeinsame Position handle. Dieses Problem habe es auch bei der Wahl in Thüringen[3] gegeben: Nicht die Wahl an sich sei problematisch gewesen, jedoch das Hinnehmen dieser; hier hätte man sich klar abgrenzen müssen. Man müsse den Wähler:innen deutlich machen, was sie durch die Wahl der AfD in Kauf nähmen. Würde die AfD mehr als zwanzig, dreißig oder gar vierzig Prozent bekommen, würden sie tatsächlich machen, was in ihrem Wahlprogramm stünde. Dies würde von vielen Wähler:innen erst einmal ignoriert. „Da, wo ich die [AfD] akzeptiere, akzeptiere ich auch die Schattenseite, die dunkle Seite der Macht.“ Ludwig betont, im Rat würde immer klar Position bezogen bei Anträgen der AfD. Man könne sich mit dieser nur inhaltlich beschäftigen, alles andere bleibe nicht legitim.

Um die Einstellungen in den Köpfen rechter Wähler:innen zu verändern, sei es wichtig, Antworten auf die Fragen der Menschen zu haben. Die Bürger:innen müssten klar wissen, wie die Parteien zu gewissen Themen stehen und dass es wichtig sei, sich das Ganze anzuschauen und nicht nur die Themen, die eine:n persönlich interessierten. Man müsse den Bürger:innen deutlich machen ‚Wofür stehe ich, wofür stehen die anderen?‘

Bezüglich der medialen Berichterstattung kritisieren unsere Gesprächspartner, die Überschriften von Artikeln würden häufiger nicht zum Text passen und inhaltlich von diesem abweichen. Häufig würden Dinge sehr drastisch dargestellt, hierbei handle es sich jedoch auch um ein Henne-Ei-Problem. Reißerische Überschriften würden in sozialen Netzwerken genutzt, damit die Artikel auf den Webseiten häufiger angeklickt würden (Clickbait). Darauf seien die Journalisten auch angewiesen, schließlich wollten auch sie Geld verdienen. Hier sei es schwierig, eine einheitliche Lösung zu finden. Unter Posts der Lokalpresse, lokaler Gruppen und von (Lokal-)Politiker:innen in sozialen Netzwerken finden sich in den Kommentarspalten zunehmend beleidigende und hetzerische Kommentare. Unsere Gesprächspartner kritisieren, die Anonymität des Internets werde häufig als Deckmantel genutzt. „Wenn ich etwas verbreiten will, dann muss ich das auch unter meinen Namen machen und dazu stehen. In dem Moment, in dem ich mich gesellschaftlich äußere, muss ich auch dazu stehen.“ Um solchen Kommentaren entgegenzuwirken, hätten sie jedoch keinen einheitlichen Fahrplan. Sie seien hin- und hergerissen, sich zu äußern oder solche Kommentare nicht weiter zu beachten, um ein Thema oder eine Diskussion nicht weiter zu befeuern.

Wir beendeten das Gespräch mit der Frage, wie die FPD gewährleisten wolle, dass – um Rassismus und Rechtsextremismus zu bekämpfen – es auch in Zukunft attraktiv bleibt, demokratische Parteien zu wählen.

Wir müssen offen sein für die Partizipation der Bürger:innen an Entscheidungen.“ Die Menschen müssten spüren, dass alles mitaufgenommen werde, dass sie Einfluss hätten. Jede:r könne in die Partei rein, es gebe keinen ‚Inner Circle‘. Auf der politischen Seite brauche es manchmal mehr Ehrlichkeit; eine Partei regiere nicht allein, daher sei das Wahlprogramm am Ende nicht das Regierungsprogramm.

Das Wichtigste sei es, dass jede:r etwas mache. Dafür müsse man nicht Mitglied einer Partei sein, wichtig sei es, sich irgendwie zu engagieren. Durch Engagement lerne man andere Menschen kennen, hierdurch würden Ängste und Vorurteile abgebaut – hierdurch könnte auch das Auftreten rechter Probleme verhindert werden!

Wir bedanken uns noch einmal bei Herrn Ludwig und Herrn Boos für dieses interessante Gespräch! Wir hoffen, Ihnen einige interessante Einblicke gegeben zu haben! Wenn Sie neugierig geworden sind, was die anderen Parteien in unseren Gesprächen gesagt haben, lesen Sie gerne auch unsere anderen Artikel!


[1] Die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr ist das “Ruhrparlament” und damit die einzige demokratisch legitimierte und verlässliche regionale Klammer der Metropole Ruhr. Das Ruhrparlament ist Forum für alle Städte und Kreise der Region.
Die kreisfreien Städte Bochum, Bottrop, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Herne, Mülheim an der Ruhr und Oberhausen sowie die Kreise Ennepe-Ruhr-Kreis, Recklinghausen, Unna und Wesel bilden den Regionalverband Ruhr.

[2] Die Talentschulen sind ein Schulversuch der Landesregierung NRW, sie sollen Maßnahmen für mehr Chancengerechtigkeit in der Bildung erproben. Die Talentschulen „erhalten zusätzliche personelle Ausstattungen, ein zusätzliches Förderbudget, das die gezielte Fortbildung des Lehrpersonals ermöglicht, sowie Unterstützung durch Schulentwicklungsberatung, welche die Schule in ihren Entwicklungsprozessen begleitet und berät. Zudem setzen die Schulen innovative Unterrichtskonzepte im Rahmen unterschiedlicher fachlicher Profile um.“ Es handelt sich bei den Schulen um allgemeinbildende wie auch berufsbildende Schulen. (Quelle: www.land.nrw, abgerufen am 31.07.2021)

[3] Im Thüringer Landtag wurde am 5. Februar 2020 Thomas Kemmerich (FDP) mit Stimmen von FDP, CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt – nachdem FDP und CDU sich vor der Wahl gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgesprochen hatten. Nach einem großen Aufschrei – politisch, gesellschaftlich und medial – trat Kemmerich am 8. Februar 2020 von seinem Amt zurück.

Die SPD über Rassismus, Integration und Rechts(extremismus)

Ein Beitrag von Luisa Altegoer vom 5. August 2021

In Hinblick auf die Bundestagswahl im September wollte unser Bündnis wissen, wie die verschiedenen Parteien zu den Themen Rechts, Rassismus und Integration stehen bzw. wie sie sich bei diesen Themen engagieren. Hierfür hat sich eine Arbeitsgruppe aus den drei jungen Studentinnen Alicia Benning, Hannah Hortlik und Luisa Altegoer gebildet. Sie haben mit allen demokratischen Parteien, die im Rat der Stadt Dorsten vertreten sind, ein Interview geführt. In den kommenden Beiträgen sollen nun die Kernaussagen dieser Gespräche vorgestellt werden. Die Reihenfolge der Veröffentlichung stellt hierbei keine politischen Präferenzen dar, sondern orientiert sich lediglich an den Zeitpunkten der einzelnen Interviews. Was ist den Parteien wichtig, wofür setzen sie sich ein? Machen Sie sich selbst ein Bild!

Das sechste Gespräch haben wir mit der SPD geführt. Unsere Interviewpartner waren der Fraktionsvorsitzende Friedhelm Fragemann, der Stadtverbandsvorsitzende Stephan Erbe und der Bundestags-Direktkandidat für den Wahlkreis Dorsten, Gladbeck und Bottrop, Michael Gerdes.

Für unsere Gesprächspartner bedeutet Rassismus jede Form von Ausgrenzung, z.B. aufgrund der Hautfarbe oder Herkunft. Rassismus sei häufig schleichend und unterschwellig wie in vielen Formen des „einfachen Alltagsrassismus“, z.B. wenn ein Witz über eine bestimmte ausländische Person(engruppe) gemacht werde, Personen mit dunklerer Hautfarbe im Supermarkt direkt geduzt würden oder bei Ticketkontrollen häufiger überprüft würden. Menschen mit anderer Hautfarbe würde sehr häufig die Frage gestellt „Macht ihr das auch so?“, als wären sie allein aufgrund ihrer Hautfarbe andere Menschen. Hieran merke man, wie tief Ressentiments und Rassedenken verankert seien. Auch in Dorsten gebe es Rassismus. Das merke man z.B. auf einschlägigen Dorstener Social-Media-Kanälen, wo Menschen für alle möglichen Probleme Ausländern die Schuld geben würden.

Um Rassismus zu bekämpfen, sei es der beste Weg, aufzuklären und nichts hinzunehmen. Man müsse konsequent handeln und alle rassistischen Äußerungen und Handlungen nachverfolgen. Wann immer rassistische Aussagen getätigt würden, müsse man Stellung beziehen. Man solle jedoch auch nicht alles rassistisch denken, manchmal müsse man auch ‚die Kirche im Dorf lassen‘; wenn z.B. die Zigeunersauce oder das Schwarzfahren nicht mehr so heißen dürften oder eine alteingesessene Kneipe in Berlin mit dem Namen „Zum kleinen Mohr“ umbenannt werden müsse, würde dies den Rassismus eher befördern. Mit einer solchen politischen Überkorrektheit würde man eher den Rechten in die Karten spielen. Zu ihrer antirassistischen Arbeit konkret in Dorsten berichten Erbe und Fragemann vom Antrag der SPD, Dorsten solle in das Riga-Komitee eintreten; dieser wurde in der letzten Ratssitzung genehmigt.

Unsere Gesprächspartner betonen, dass bei ihnen Mitbürger:innen jeglicher Herkunft mitwirken können. In ihrer alltäglichen Arbeit in Sitzungen usw. seien sie eine Gemeinschaft verschiedener Herkünfte, dies sei für sie völlig selbstverständlich. Demokratie lebe vom Mitmachen. Es gehe vor allem um eine hohe Wahlbeteiligung von Menschen, die sich die Wahlprogramme angeschaut hätten und demokratisch wählten. „Die AfD ist keine demokratische Partei, sie ist der verlängerte Arm der Rechten.“ Schaue man sich einmal an, wie die AfD– allein schon auf sprachlicher Ebene – agiere, müsse man sich ernsthaft überlegen, ob man eine solche Art von Volksvertreter:innen haben wolle. Gerade jungen Menschen müsse klar gemacht werden, wer nicht wählen gehe, dürfe sich anschließend nicht beschweren, wenn dieses Deutschland nicht nach seinen Fähigkeiten und nach seinem Willen regiert werde. Nur um den anderen Parteien eines auszuwischen, die AfD zu wählen, habe schon 1933 nicht funktioniert. „Ich kann nur etwas verändern, wenn ich wählen gehe. Ganz deutlich zu sagen ist: Geht wählen, aber wählt eine demokratische Partei. Schaut euch die Wahlprogramme an; guckt wo die meisten Schnittmengen sind und geht wählen. Aber wählt nicht die AfD.“

Integration bedeute, dass Menschen sich als vollwertige Mitglieder in unsere Gesellschaft einfügen müssen, unabhängig von ihrer Herkunft. Dies heiße, es gebe bestimmte Regeln, die einzuhalten seien. Integration sei ein schwieriges Thema, welches viel konsequenter behandelt werden müsse, auch mit finanziellen Mitteln. Es müsse mehr investiert werden, hier seien Kommunen z.T. finanziell überfordert; hier sei die Landes- und Bundesebene angesprochen. In manchen Großstädten sehe man leider, dass die Integration nicht gelungen sei. Dies sei in Dorsten nicht so ausgeprägt, jedoch gebe es auch hier Probleme. Es müssten mehr Begegnungsmöglichkeiten geschaffen werden, Integration müsse erleichtert werden. Menschen, die aus anderen Ländern kämen, dürften häufig zu Beginn nicht arbeiten. Diesen Personen müsse die Möglichkeit gegeben werden, in Arbeit und Lohn zu kommen, jungen Menschen müssten Ausbildungen ermöglicht werden. Auch Sportvereine, egal welcher Art, seien wichtig. Die Möglichkeit, in einen Verein zu gehen und Teil einer Gruppe zu sein, erleichtere Integration allgemein. Auch im Integrationsrat seien SPD-Mitglieder vertreten. Jedoch habe der Dorstener SPD-Ortsverband aktuell keine konkreten Projekte, wolle jedoch wieder Aktionen initiieren. Dies könnten auch kleine Aktionen sein, z.B. ein internationales Picknick an der Oude Marie; so etwas eigne sich hervorragend, um lockere Gespräche zu führen. Auch mit unserem Bündnis arbeite die Partei gerne zusammen.

Die SPD habe schon immer, auch in historischer Betrachtung, harte Kämpfe gegen Rechts geführt. Rechts seien diejenigen, die unsere demokratische Rechtsordnung nicht tolerieren oder bekämpfen würden mit nationalistischen, rassistischen oder antisemitischen Argumenten. Ein Beispiel hierfür sei die AfD mit ihren faschistischen und rechtsradikalen Vertretern, jedoch auch die Reichsbürger-Gruppierung. Menschen, die die Rechtsform Deutschlands nicht akzeptierten, dürften Deutschland auch nicht nutznießen dürfen. Gerade in Corona-Zeiten sehe man wieder mehr Menschen dieser Gruppierung, auch die AfD hole diese z.B. in den Bundestag. Es sei absurd, jemanden, der:die das Handeln und Leben nach dem deutschen Grundgesetz ablehne, in das Herz der Demokratie zu führen. Diese Bewegung sei eine große, nicht zu unterschätzende Gefahr; bisheriger Höhepunkt sei der Sturm auf den Reichstag gewesen. Auch unsere eigenen rechtsstaatlichen Organisationen wie z.B. die Polizei würden von Reichsbürgern unterwandert, hier müsse man sehr aufpassen, dass Deutschland nicht durch diese gefährdet würde.

Durch die Wahl der AfD bekämen rechte Gruppierungen wieder Oberwasser und glaubten, auf dieser Welle mitschwimmen zu können. Auch in Dorsten sitzt die AfD im Stadtrat. Unsere Gesprächspartner wünschen sich, dass viel mehr Menschen sich Ratssitzungen anschauen würden: Allein daran, wie die AfD reden würde, ließe sich erkennen, was für „Idioten da am Werk“ seien. Man könne mit diesen Menschen sachlich über Dinge diskutieren, sie würden jedoch niemals die Meinung anderer übernehmen, man könne sie niemals argumentativ überzeugen. „Mit ihren gesellschaftsgefährdenden und demokratiefeindlichen Ideen muss man die AfD ausgrenzen und eine klare Grenze ziehen. Man darf diese Intoleranz nicht tolerieren.“

Zur medialen Berichterstattung befragt differenzieren unsere Gesprächspartner zwischen öffentlich-rechtlichem und Meinungsjournalismus. Öffentlich-rechtlicher Journalismus dürfe nicht zerredet werden, er müsse klar, deutlich und frei berichten, auch über Dinge, die falsch liefen. Ginge es um Meinungsjournalismus müsse man jedoch klar sagen, hier handle es sich nicht um Journalisten, wie sie der eigentlichen Berufsethik zuzuordnen seien. Aufgrund der zunehmenden Wichtigkeit sozialer Medien, sollte der Umgang mit Social Media Teil der Schulbildung werden. Schon in jungen Jahren würden Menschen sich mit Social Media beschäftigen, von da an müssten sie für bestimmte Themen sensibilisiert werden. Nur so könne Medienkompetenz geschaffen und der Entstehung und Verbreitung von Fake News vorgebeugt werden.

Wir beendeten das Gespräch mit der Frage, wie die SPD gewährleisten wolle, dass – um Rassismus und Rechtsextremismus zu bekämpfen – es auch in Zukunft attraktiv bleibt, demokratische Parteien zu wählen.

Auf kommunaler Ebene gebe es leider kaum direkte Möglichkeiten, seine Ideen umzusetzen und das direkte Umfeld zu beeinflussen. Dennoch müssten die Parteien insbesondere für junge Menschen attraktiver werden, diese würden häufig die Funktionsweise der Kommunalpolitik gar nicht richtig mitbekommen. Unsere Gesprächspartner erklären, dass demokratisches Wählen und demokratische Aktivität Voraussetzung dafür seien, etwas demokratisch beeinflussen zu können. „Wir treten an jeder Stelle dafür ein, wählen zu gehen!“ Man wähle für die eigene Zukunft. Jedem müsse bewusst gemacht werden, dass Nicht-Wählen bedeute, darauf zu verzichten, Einfluss zu nehmen. Jede:r Einzelne sei gefordert, bei allen Fragen. Man müsse einfordern und den Menschen deutlich machen: „Alles ist politisch und eine Demokratie lebt davon, dass jede:r mitwirkt!“

Wir bedanken uns noch einmal bei den Herren für dieses aufschlussreiche Gespräch! Wir hoffen, Ihnen einige interessante Einblicke gegeben zu haben! Wenn Sie neugierig geworden sind, was die anderen Parteien in unseren Gesprächen gesagt haben, lesen Sie gerne auch unsere anderen Artikel!

DIE PARTEI über Rassismus, Integration und Rechts(extremismus)

Ein Beitrag von Luisa Altegoer vom 5. August 2021

In Hinblick auf die Bundestagswahl im September wollte unser Bündnis wissen, wie die verschiedenen Parteien zu den Themen Rechts, Rassismus und Integration stehen bzw. wie sie sich bei diesen Themen engagieren. Hierfür hat sich eine Arbeitsgruppe aus den drei jungen Studentinnen Alicia Benning, Hannah Hortlik und Luisa Altegoer gebildet. Sie haben mit allen demokratischen Parteien, die im Rat der Stadt Dorsten vertreten sind, ein Interview geführt. In den kommenden Beiträgen sollen nun die Kernaussagen dieser Gespräche vorgestellt werden. Die Reihenfolge der Veröffentlichung stellt hierbei keine politischen Präferenzen dar, sondern orientiert sich lediglich an den Zeitpunkten der einzelnen Interviews. Was ist den Parteien wichtig, wofür setzen sie sich ein? Machen Sie sich selbst ein Bild!

Das letzte Gespräch haben wir mit der Partei DIE PARTEI geführt. Unsere Interviewpartner waren der Stadtverbandsvorsitzende Ingo Lilienthal und Manuel Seth, Mitglied der Fraktion DIE FRAKTION feat. DIE LINKE.

Rassismus beginne in der Art, wie Menschen anderen Menschen begegnen: Einige Menschen sähen sich selbst als etwas Besseres, während andere benachteiligt würden, weil sie ‚anders‘ seien. Häufig handle es sich nicht um vorsätzliches Verhalten, sondern sei schlichtweg in den Gedanken und der Lebensweise verankert. Hierdurch entstehe dann eine Wertigkeit oder auch eine gewisse Vorsicht vor Fremden und Dingen, die man nicht verstehe. Auch in Dorsten gebe es Rassismus. Früher habe sich dieser vor allem offen feindselig gezeigt, heute sei dieser eher strukturell verankert und zeige sich darin, welchen Personen mit welchen üblichen Vorurteilen begegnet würde; z.B. wenn der Nachname einer Person darüber entscheide, ob diese einen Job oder eine Wohnung bekommen würde. Häufig beginne es bei den Kleinigkeiten, z.B. wenn die Kassiererin allen Personen das Wechselgeld in die Hand gebe und dann dem:der Migrant:in auf den Tisch lege. In Deutschland und auch speziell in Dorsten herrsche ein Grundrassismus und es brauche sicher noch lange Zeit, um diesen zu überwinden, da dieser von klein auf an nachfolgende Generationen weitergegeben werde. Zum Beispiel würde ein rein katholischer Kindergarten den dort betreuten Kindern Kontakt mit Kindern und Familien anderer religiöser Hintergründe verwehren; hierdurch würden die Kinder lernen, dass Menschen immer in Gruppen gesteckt würden und eine separierte Gesellschaft als normal erleben (lernen).

In Dorsten sei leider vieles getrennt, hier müssten die einzelnen Gruppen sich stärker durchmischen und miteinander in Kontakt kommen. Betrachte man z.B. die Tennisvereine, sehe man v.a. reiche Personen, alte, weiße Männer und junge, hübsche Frauen. Es sei eine Elite unter sich, hier sei eine ‚Durchmischung‘ schwierig, aber eben auch sehr nötig. Eine Pflicht zur ‚Durchmischung‘ sei jedoch auch schwierig, eine solche Veränderung müsse von sich aus kommen. Damit solche gesellschaftlichen Prozesse zum Tragen kommen, daure es sicherlich einige Jahrzehnte. Wenn z.B. Frauen oder Migrant:innen in Führungspositionen kämen, ändere dies auf Dauer auch die Firmenstruktur. Junge Menschen müssten in der Gesellschaft sehen können, was möglich sei: Junge Mädchen müssten sehen können ‚Ich kann Ärztin oder Richterin werden‘, Jungen müssten sehen können, dass sie auch in vermeintlich feminine Berufe gehen können, es müsse sichtbar werden, dass Berufe unabhängig von der Herkunft seien. Damit dies sichtbar wird, müssten jedoch erst einmal entsprechende Personen in die jeweiligen Positionen kommen. Es sei auch wünschenswert, würden verschiedene Identitäten im kommunalen Ordnungsdienst arbeiten. Eine solche strukturelle Veränderung sei auf kommunalpolitischer Ebene nur schwierig anzugehen, hier handle es sich v.a. um bundespolitische Arbeit. Jedoch lasse sich auch auf Kommunalebene etwas bewirken. In Dorsten gebe es viele Menschen, die sich engagieren wollten, auch öffentlich, das sei wichtig und gut. Auch die Arbeit unseres Bündnisses gehe in die richtige Richtung, hier würde DIE PARTEI künftig auch gerne weiter mit uns zusammenarbeiten.

Der Integrationsprozess sei generationsübergreifend, es daure Jahrzehnte um ein Gefühl von ‚okay, hier wohne ich, hier bleibe ich‘ zu erlangen. Unsere Interviewpartner loben die enorme Eigenarbeit, die die Dorstener Bürger:innen insbesondere 2015/2016 in Form von Flüchtlingslots:innen, Familienbetreuung usw. geleistet hätten. Dies sei Zivilcourage gewesen. Die Bürger:innen hätten eingegriffen, um etwas zu regeln, was der Regierung mit den zur Verfügung stehenden Geldern allein überhaupt nicht möglich gewesen wäre.

Es sei immer schwierig, von außen ein Problem zu diskutieren, obwohl man selbst gar nicht betroffen sei. Betroffene wiederum seien strukturell vollkommen ausgeschlossen aus dem Prozess, integrationsrelevante Entscheidungen zu treffen. Seth verdeutlicht: „Es ist wie eine Männerrunde, die versucht, Frauenprobleme zu lösen. Oder eine Runde voller Cis-Menschen, die versuchen Trans-Probleme zu lösen.“ Es sei gut, sich darüber Gedanken zu machen und Ansätze zu finden, aber im Endeffekt könne man die Thematik nur von außen betrachten und werde nie Teil der Sache als solches sein. Dennoch könne man empathisch sein und zuhören. Weiße Menschen hätten häufig mehr Reichweite und bekämen mehr Gehör. Es gebe eine mediale Zensur, welche Themen überhaupt behandelt und ausgestrahlt würden und wie. Daher sei es wichtig, auch diese Themen wie Rassismus und Integration immer wieder aufzugreifen. Im Kontakt mit den Menschen könne man immer wieder sagen ‚Kommt, macht mit bei uns!‘. Auch könne man sich distanzieren „Nicht alle alten, weißen deutschen Männer sind so.“

Um Integration zu erleichtern, müssten Migrant:innen früher arbeiten dürfen und eine Wertschätzung ihrer Qualifikationen erfahren. Alle müssten arbeiten dürfen, nicht nur die vermeintlich sehr gut Qualifizierten, um „etwas davon zu haben“. Qualifikationen müssten anerkannt werden und allen eine Chance gegeben werden. Die Bevölkerungszahlen in Deutschland stiegen nicht und es entstünden Probleme in Hinblick auf die Rente; es gäbe zahlreiche Jobs, die nicht gemacht werden wollten, aber müssten.

Nach dem Integrationsrat gefragt erzählen unsere Gesprächspartner, bislang hätten sie leider nur Schlechtes gehört. Die Handvoll Leute, die dieses nicht stimmberechtigte Gremium bildeten, wirkten eher wie ein Trostpflaster à la „Guck mal, wir haben da was!“. Der Rat sei relativ auf sich selbst gestellt, er werde nicht gut ‚an die Hand genommen‘ oder geführt. Die Sprachbarriere und das Unwissen über die eigenen Rechte und die Funktionsweise des deutschen Verwaltungsapparats würden es den Mitgliedern des Integrationsrats sehr schwer machen; hier müssten vom System Informationen zur Verfügung gestellt werden. „Es ist lächerlich im Verhältnis zu dem, was wir tun könnten und müssten.“ In dieser Form sei der Rat jedoch von der CDU gewünscht und würde daher auch so umgesetzt. „Was der schwarze Block will, bekommt er auch.“

Rechts sei in erster Linie menschenverachtend. Der Begriff Rechts umfasse sehr viel und sehr viel Unspezifisches: wenn Menschen sich als etwas Besseres fühlten, wenn Menschen sich angegriffen fühlten von Menschen anderer Herkunft, Glaubensansicht oder Sexualität. Dies werde als Angriff gesehen auf die persönliche Integrität, auf die eigenen Werte und die eigene Vorstellung davon, wie Menschen zu sein hätten.

Manche Menschen würden das N-Wort und weitere unangebrachte Dinge von sich geben. Bei manchen handle es sich hierbei um Begrifflichkeiten, die während des Aufwachsens eine Normalität und Fakten dargestellt hätten, oft geschehe dies ohne jegliche Art von Vorurteilen oder Böswilligkeit. Manche dieser Menschen könnten begreifen lernen, was diese Worte dennoch bedeuteten, bei anderen sei dies nicht möglich. Unsere Gesprächspartner fordern, das Wort Rasse gehöre aus dem Grundgesetz gestrichen. Angesprochen auf die AfD glauben sie, die Partei bestehe vermutlich „nicht zu 100% aus totalen Arschlöchern“. Häufig seien die Mitglieder sich auch nicht einig, z.B. wenn sich parteipolitisch gegen die Impfung ausgesprochen werde, einzelne dann aber auch ihre Mütter impfen lassen würden.

Gefragt, ob rechte Parteien wie die AfD verboten werden sollten, reagieren unsere Gesprächspartner zwiegespalten. Die NPD z.B. sei nur nicht verboten worden, weil sie keinen großen politischen Einfluss gehabt hätte, das sei bei der AfD jedoch anders. Ein Verbot würde dazu führen, dass die Personen sich neu finden und organisieren müssten. Andererseits würden die Menschen so oder so das rechts-möglichste auf dem Wahlzettel wählen. Könne man die AfD nicht mehr wählen, würden wieder mehr Menschen die CDU oder die FDP wählen.

Gefragt nach ihrem Umgang mit Akteur:innen des rechten Spektrums, betonen unsere Gesprächspartner, selbst nicht direkt betroffen zu sein. Man müsse sich von den Ausgrenzenden distanzieren und sich mit den Ausgegrenzten beschäftigen. Es müsse ein Umdenken stattfinden: Im Kopf müsse ein Punkt erreicht werden, wo ein Nachname oder eine Hautfarbe nicht direkt etwas Negatives im Kopf der Menschen auslöse. Ziel sollte es sein, dass wir Witze übereinander machen können, weil wir längst davon ausgehen, dass es keinerlei Vorurteile und Unterschiede gibt. Das sei aber noch in ferner Zukunft. Das Einzige, was wirklich etwas bringe, sei es, ständig selbst mit gutem Vorbild voranzugehen; zu zeigen, dass man niemanden abwerten müsse, und dann auch Personen darauf aufmerksam machen, wenn sie gerade „Scheiße bau[t]en“. „Wir müssen Menschen wie Menschen behandeln.“ Man müsse Vorurteilen entgegenwirken; z.B. gebe es Jugendliche aller Hautfarben, die „Scheiße bau[t]en“ – das sei bei MENSCHEN so. Es gebe einen elitären Kreis, der sich nach außen hin abgrenze, hier müsse man entgegenwirken. Es müsse viel mehr Durchmischung stattfinden. „Lern die Menschen kennen, verdammt nochmal!“ Diese ‚Durchmischung‘ müsse bereits in der Schulzeit beginnen, es brauche Chancengleichheit, insbesondere in Bezug auf Bildung. Hierfür müsse mehr Geld in Bildung statt Rüstung oder die Lufthansa investiert werden. Nicht nur der Zugang zu gleichen Bildungschancen, sondern auch die Zusammensetzung der Schülerschaft sei beim Abbau von Vorurteilen wichtig. Neben der Schule spiele hier auch die Wohnsituation eine große Rolle: In der Feldmark finde aktuell z.B. eine Ghettoisierung der Reichen statt, eine solche Ghettoisierung müsse durchbrochen werden. Nur durch eine solche Durchmischung könnten die Einstellungen in den Köpfen der Menschen nachhaltig verändert werden.

Hassnachrichten und -kommentare in sozialen Netzwerken nehmen zu. Dies habe nichts mit der Berichterstattung an sich zu tun, sondern mit der Anonymität des Internets. Die Menschen würden sich austoben, hiergegen müsse man gesetzlich vorgehen, auch auf EU-Ebene. Die Plattformen müssten gezwungen zu sein, solche Kommentare konsequenter nachzuverfolgen und mehr mit entsprechenden Behörden zu kooperieren. Die Akteur:innen müssten zur Haftung herangezogen werden, z.B. über den Tatbestand der Volksverhetzung. Es sei jedoch ein Problem, dass Anzeigen nicht von allen Stellen gleichermaßen ernst genommen würden. Zum Beispiel habe es eine Anzeige gegen die Stadt gegeben wegen Veruntreuung. Während die Anzeige von der Gruppe Dorsten Transparent aufgrund mangelnden öffentlichen Interesses nicht angenommen wurde, ging die gleiche Anzeige von der Partei DIE PARTEI durch.

Wir beendeten das Gespräch mit der Frage, wie DIE PARTEI gewährleisten wolle, dass – um Rassismus und Rechtsextremismus zu bekämpfen – es auch in Zukunft attraktiv bleibt, demokratische Parteien zu wählen.

Parteien müssten für den „Scheiß, den sie verzapfen“, zur Rechenschaft gezogen werden. Für die Zeit nach den Wahlen würden große Veränderungen angekündigt, diese würden jedoch nie eintreten. Es brauche eine Haftbarkeit für nicht eingehaltene Wahlversprechen. Die Parteien würden sich wie Fähnchen im Wind nach der aktuellen Lage ausdehnen.

Es sei wichtig, die Menschen zum Wählen zu motivieren. Das Wählen und die Mechanismen drumherum müssten attraktiver gestaltet werden. Unsere Interviewpartner schlagen eine leichte Art des Wahlzwangs vor, z.B. dass bestimmte Dinge nur möglich seien, wenn die Person gewählt hat: z.B. die Steuererklärung abgeben oder den Service des Bürgeramts in Anspruch nehmen.

Es sei wichtig, sich zu kümmern. DIE PARTEI wolle alle unzufriedenen Menschen aufsammeln und deutlich machen „Wir existieren und sind wählbar und nicht rechts!“

Wir bedanken uns noch einmal bei Herrn Lilienthal und Herrn Seth für dieses abwechslungsreiche und interessante Gespräch! Wir hoffen, Ihnen einige interessante Einblicke gegeben zu haben! Wenn Sie neugierig geworden sind, was die anderen Parteien in unseren Gesprächen gesagt haben, lesen Sie gerne auch unsere anderen Artikel!

Tobias Stockhoff über Rassismus, Integration und Rechts(extremismus)

Ein Beitrag von Luisa Altegoer vom 4. August 2021

In Hinblick auf die Bundestagswahl im September wollte unser Bündnis wissen, wie die verschiedenen Parteien zu den Themen Rechts, Rassismus und Integration stehen bzw. wie sie sich bei diesen Themen engagieren. Hierfür hat sich eine Arbeitsgruppe aus den drei jungen Studentinnen Alicia Benning, Hannah Hortlik und Luisa Altegoer gebildet. Sie haben mit allen demokratischen Parteien, die im Rat der Stadt Dorsten vertreten sind, ein Interview geführt. In den kommenden Beiträgen sollen nun die Kernaussagen dieser Gespräche vorgestellt werden. Die Reihenfolge der Veröffentlichung stellt hierbei keine politischen Präferenzen dar, sondern orientiert sich lediglich an den Zeitpunkten der einzelnen Interviews. Was ist den Parteien wichtig, wofür setzen sie sich ein? Machen Sie sich selbst ein Bild!

Das dritte Gespräch haben wir mit Tobias Stockhoff geführt. In seiner Funktion als Bürgermeister und insbesondere als Wahlleiter der Stadt Dorsten für die Bundestagswahlen muss er sich parteineutral verhalten. Dennoch gehen wir davon aus, dass aufgrund seiner Position viele Bürger:innen seine Meinung besonders schätzen werden, und haben ihn deshalb um das Interview gebeten. Um Missverständnissen vorzubeugen, haben wir Aussagen, welche Herrn Stockhoffs persönliche Meinung widerspiegeln, die er nicht aus seiner Position als Bürgermeister getätigt hat, klar als solche kenntlich gemacht.

Bild: Tobias Stockhoff

Laut Herrn Stockhoff gebe es (in Dorsten) unterschiedliche Formen des Rassismus: sehr offensichtliche Formen wie z.B. die Ausgrenzung oder Beschimpfung von Migrant:innen, aber auch subtilere, latentere Formen des Rassismus. Häufig bestünden z.B. ganzen (migrantischen) Gruppen gegenüber Vorbehalte und ein gewisses Misstrauen, was diese Personen häufig gar nicht konkret benennen könnten und würden. Dabei sei es wichtig, allen Menschen vorbehaltslos entgegenzutreten. Wären Vorbehalte vorhanden, wie diese leider im privaten wie öffentlichen Bereich (z. B. Verwaltungen) nicht ausgeschlossenen werden könnten, müssten diese konsequent abgebaut und bekämpft werden. Um diesem Problem in städtischen Verwaltungsstrukturen zu begegnen und somit auch strukturellen Formen von Rassismus und Ausgrenzung allgemein entgegenzutreten, würde bspw. einmal jährlich ein Workshop in Kooperation mit dem Jüdischen Museum stattfinden. Hier ginge es nicht nur darum, Rassismus zu bekämpfen, sondern allgemein Vorurteile und Vorbehalte gegenüber bestimmten Personen und Personengruppen abzubauen.

Es sei die Verantwortung der Politik, in der Analyse von Problemen schonungslos zu sein und zu bleiben, in der Wortwahl jedoch die Sache in den Vordergrund zu stellen. Hierdurch könnten Probleme erkannt und analysiert werden, ohne Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen zu schüren. Auf die Problemanalyse müsse die Suche nach Lösungsansätzen und die Bekämpfung von Ursachen folgen. Es müssten Angebote für Dialog und Austausch geschaffen werden, um Menschen verschiedener Kulturen ins Gespräch zu bringen – hierfür sei es wichtig, dass die Politik mit bestehenden Gruppen wie Vereinen und Nachbarschaften kooperiere. So könnten bereits bestehende Strukturen genutzt werden, um das Knüpfen von Kontakten zu ermöglichen und Austausch zu schaffen. Aus seiner Sicht sei es wichtig, dass Menschen unterschiedlicher (kultureller) Gruppen unmittelbar miteinander in Kontakt kommen, z.B. durch direkte Nachbarschaft. Dies sei auch bei der Aufstellung von Bebauungsplänen wichtig. Er verweist darauf, dass die Integration der Geflüchteten 2015/2016 wesentlich besser gelungen sei als in den 1990er Jahren, was v.a. auch an der dezentralen Unterbringung läge. Außerdem müssten die Menschen ermutigt werden, sich einzubringen, z.B. in Stadtteilkonferenzen, der Freiwilligen Feuerwehr oder dem Schützenverein. Dabei gehe es nicht nur um große Projekte, sondern v.a. auch um viele kleine Aktionen. So hätten sich z.B. 2015 viele Schützenvereine bei der Einrichtung der Flüchtlingsunterkünfte mit eingebracht. Hierdurch hätten die Helfenden auch direkt einen ganz anderen Bezug zu den Geflüchteten gehabt. Herrn Stockhoff ist es wichtig, in den Dialog zu treten und in Aktion zu kommen, statt nur theoretische Pläne auf dem Papier zu schmieden.

Auch der mangelnden Diversität der Dorstener Politik ist er sich bewusst. Er vermutet, die CDU werde möglicherweise aufgrund ihres Namens „Christlich-Demokratische Union von weniger Migrant:innen gewählt als andere Parteien. Dabei stehe das Wort ‚christlich‘ ja v.a. für ein christliches Menschenbild, dies habe sich in den letzten Jahren zunehmend geöffnet. In Vorständen und politischen Gremien wie dem Stadtrat seien aber nicht nur Migrant:innen, sondern auch andere Gruppen unterrepräsentiert. Insbesondere Akademiker:innen und Mitglieder der verwurzelten Mittelschicht würden sich engagieren. Die Altersgruppe 25 bis 40 sei aufgrund von zeitlichen Herausforderungen durch Karriere, Hausbau oder Kindererziehung stark unterrepräsentiert. Er sagt, das politische Ehrenamt müsse attraktiver gestaltet werden (z. B. Sitzungszeiten) und die Chancen für bisher nicht oder unter-repräsentierte Gruppen (z. B. diversere Kandidat:innen wie Frauen, Migrant:innen, Menschen mit einem geringen Einkommen oder junge Menschen) müssten verbessert werden.

Integration bedeute, etwas Neues entstehen zu lassen und dabei die gelebten Grundregeln beizubehalten. Beide Seiten müssten einander offen akzeptieren und bereit sein, im Miteinander etwas zu verändern. Es sei wichtig, dass die individuelle Freiheit des einen die des anderen nicht einschränke. Um dies zu ermöglichen, müsse man sich zunächst gegenseitig wahrnehmen, um sich dann gegenseitig ernst zu nehmen und wertzuschätzen.

In der Stadt Dorsten gelinge Integration über Aktionen verschiedener Vereine, wie z.B. Sport- oder Schützenvereine. Außerdem gebe es Projekte der Dorstener Arbeit, bspw. Migrant:innen die zu Hausmeister:innen ausgebildet würden. Hier würden sie dann direkt mit ihren Mitbürger:innen in Kontakt kommen und Wertschätzung für ihre Arbeit erfahren. Umgekehrt könnten hierüber Vorbehalte abgebaut werden. Wie bereits oben erwähnt, sei auch die dezentrale Unterbringung der Geflüchteten von großer Wichtigkeit. Hierdurch würde zum einen der direkte Kontakt mit Mitbürger:innen erleichtert, zum andere sei der Einstieg für geflüchtete Kinder in die Schule erleichtert: Für die Lehrkräfte sei es einfacher, sich um eine Handvoll Kinder mit Sprachbarriere zu kümmern als wenn dies die Hälfte einer Klasse betreffe. „Gute Integration funktioniert am besten, wenn sie individuell ist.“ Der Einsatz von ehrenamtlichen Integrationslots:innen, welche zuvor eine kulturelle und rechtliche Schulung erhielten, ermögliche eine engmaschige und persönliche Betreuung der Migrant:innen. Auch der Integrationsrat könne eine wichtige Rolle spielen. Dieser sei jedoch gerade erst angelaufen, daher müsse erst abgewartet werden, wie seine Rolle sich entwickle. Leider würde auch dieser die in Dorsten lebenden Migrant:innen nicht vollständig repräsentieren, was weiterhin zu Hürden führen könne. Vor allem sei es Ziel, dass die Menschen direkt in den Gremien sitzen würden und ein Werkzeug wie der Integrationsrat auf Dauer nicht mehr benötigt würde.

Herr Stockhoff sieht sich selbst als Bürgermeister in einer Vorbildfunktion. Es sei wichtig, Stellung zu beziehen, wenn Menschen ausgegrenzt würden. Wenn er zu Veranstaltungen käme, würde er daher z.B. häufig zunächst einmal auf Menschen zugehen, die eher am Rand stünden, statt auf Personen, die sowieso schon im Mittelpunkt stünden. Dies tue er nicht nur bei Migrant:innen, dies sei ihm allgemein bei allen Menschen wichtig. Grundsätzlich sei es ihm wichtig, Präsenz zu zeigen und z.B. Weihnachtsfeiern, Schützenfeste und auch Feste migrantischer Gruppen zu besuchen – hiermit wolle er symbolisieren, dass alle Bürger:innen gleichermaßen wichtig seien.

Austausch und Kommunikation sieht er als Schlüssel zu Integration. Hierüber sei es möglich, Lösungen und Kompromisse zu finden. So habe z.B. eine Absprache mit dem Moscheeverein es ermöglicht, dass die gläubigen Muslim:innen im Ramadan auch den Gebetsruf hören konnten. Dieser durfte von der Moschee ertönen, jedoch in einer Lautstärke, die für die anderen Anwohner:innen nicht störend war. Außerdem sei es wichtig, etablierte Institutionen wie z.B. die Freiwillige Feuerwehr mehr zu öffnen und in Integrationsprojekte miteinzubeziehen.

Zum Thema Rechts(extremismus) betont Herr Stockhoff, dass er sich klar gegen jede Form des Extremismus ausspreche. Rechte Positionen seien extremistisch, wenn durch diese Grundrechte und unsere Verfassung verletzt würden. Extreme Parteien würden sich, zumindest in Teilen, nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes befinden, er glaube jedoch, dass nicht alle (Protest)wähler:innen alle extremen Überzeugungen vollständig teilen würden. Um dem Erstarken extremistischer Parteien entgegenzuwirken, sei es wichtig, Ursachen für die Unzufriedenheiten und Sorgen der Wähler:innen dieser Parteien zu finden und falsche Sachverhalten aufzuklären und richtigzustellen. Die Funktionäre solcher Parteien würden die Menschen lediglich als Werkzeuge instrumentalisieren – dem lasse sich nur durch persönliche Nähe entgegentreten. Außerdem müssten (rechte) Straftaten – unabhängig, ob es sich dabei um Sachbeschädigungen, Beleidigungen, Hetzerei oder gar Körperverletzung handle – konsequent zur Anzeige gebracht und bestraft werden.

Er ist der Meinung, dass es die Aufgabe demokratischer Parteien sei, die Protestwähler:innen extremer Parteien zurückzugewinnen und die Ursachen für deren Wahlentscheidung zu ergründen. Die Funktionäre solcher Parteien stünden jedoch nicht auf dem Boden des Grundgesetzes, daher könne es mit diesen keine Kooperation geben.

Auch die Berichterstattung in den sozialen Medien sei teils problematisch. Die Überschriften vieler Artikel seien reißerisch, die Medien kämen hier ihrer Verantwortung sachlicher Berichterstattung leider nicht immer nach. Online-Redaktionen würden zudem häufig die Kommentarspalten ihrer Postings nicht genügend kontrollieren. Hetzerische und beleidigende Kommentare müssten konsequent gelöscht und Personen blockiert werden. Er selbst versuche, wenn immer möglich, mit den Menschen in den Diskurs zu gehen und geduldig Entscheidungen und Argumente zu erklären. Selten, wenn er den Eindruck habe, alles andere habe keinen Sinn, gebe er auch sarkastische Antworten auf Kommentare. Ihm sei es wichtig, vorsichtig zu sein und Personen nicht zu schnell vorzuverurteilen, sondern sich den Hintergrund anzuschauen und zu überlegen, warum und wie Menschen zu einer Überzeugung kämen.

Wir beendeten das Gespräch mit der Frage, wie Tobias Stockhoff auch in Zukunft gewährleisten will, dass – um Rassismus und Rechtsextremismus zu bekämpfen – es attraktiv bleibt, demokratische Parteien zu wählen.

Die Gesellschaft brauche Parteien, die Interessen und Bedarfe zusammenführen, dies sei die Aufgabe der Volksparteien. Er selbst sei CDU-Mitglied, weil er überzeugt sei, dass die CDU als Volkspartei eine gesellschaftliche Klammer bilde. Man müsse den Menschen vermitteln, dass eine Partei nie zu 100% erfüllen könne, was man sich wünsche. Je mehr Menschen zusammenkämen, desto mehr Meinungen gebe es. Die Mischung mache es, man müsse Maß und Mitte finden. Daher glaubt Herr Stockhoff: „Ein pragmatischer Ansatz ist der richtige Ansatz.“ Ihm sei es wichtig, sich immer dem Dialog zu stellen. Zeit sei eine Form der Wertschätzung. Die Politik müsse sich mehr Zeit für den direkten Dialog mit den Menschen nehmen, hier müsse sich die Politik noch verbessern. „Wir müssen wieder mehr zu den Menschen und sie für Demokratie begeistern.“

Wir bedanken uns noch einmal bei Herrn Stockhoff für dieses informative Gespräch! Wir hoffen, Ihnen einige interessante Einblicke gegeben zu haben! Wenn Sie neugierig geworden sind, was die anderen Parteien in unseren Gesprächen gesagt haben, lesen Sie gerne auch unsere anderen Artikel!